Künstler sollen sich ihre Kritiken kaufen (provokation)
Aus gegebenem aktuellen Anlaß:
ich hatte folgendes schon auf verschieden Seiten gepostet – nun hier auch noch mal:
Liebe Freunde und Kollegen,
das Wichtigste zuerst:
jeder, der auf seinen Webseiten Rezensionen, Kritiken oder Konzertberichte aus der Presse (egal ob aus Printmedien, Rundfunk/Fernsehsendung oder Internet) veröffentlicht hat, ohne schriftliche Genehmigung des Autors/Herausgebers, läuft Gefahr, wegen Verletzung des Urheberrechts auf Unterlassung abgemahnt zu werden!
So geschehen der Musikerin Scarlett O´ und anderen Betroffenen. Sie erhielten Abmahnungen, in denen sie aufgefordert wurden, innerhalb weniger Tage rund 1400,00 Euro zu zahlen.
Auch wenn diese Forderung umstritten ist, hat sicher niemand von euch Lust, sich den daraus resultierenden Stress anzutun. Es bleibt als Sofortmaßnahme nichts weiter übrig, als alle „Pressestimmen“ (außer den genehmigten) von den eigenen Seiten zu entfernen.
Und hier meine persönlichen Gedanken zum Thema:
Wieder einmal hat jemand eine Möglichkeit zum Gelddrucken gefunden.
Wie schon im letzten Jahr berichtet, werden jetzt Künstler und Veranstalter angegangen, die Rezensionen oder Berichte über Konzerte, die sie veranstalten, auf ihren Web-Seiten veröffentlichen.
Dies würde aus der Sicht einiger Anwälte gegen geltendes Urheberrecht verstoßen und sei daher Abmahnungsfähig.
So geschehen auch bei einigen unserer Kollegen, die im Moment gerade dagegen ankämpfen.
An diese Information hänge ich noch ein Schreiben von Scarlett O´ an, die eine der betroffenen KünstlerInnen ist.
Die Rechtslage ist nicht ganz klar – auch wenn sich die Anwälte hier auf das Recht des Urhebers (in diesem Falle das des schreibenden Journalisten) an seinen Werken berufen, ist der zu beziffernde Schaden nicht wirklich nachweisbar.
Der Normalfall: in einer Tageszeitung erscheint ein kleiner Bericht im Nachgang eines Konzertbesuches (oftmals war/ist der Besuch der Veranstaltung für den schreibenden und fotografierenden Journalisten kostenfrei) – dafür bekommt der Autor des Konzertberichtes von der veröffentlichenden Publikation ein vereinbartes Honorar.
Ohne die künstlerische Leistung des besuchten Künstlers hätte der Journalist nichts, was er verwerten könnte (Verwertung im Sinne von – aus der Leistung eines Anderen einen geldwerten Vorteil zu generieren)
Bisher war es gängige Praxis – Der Künstler führt auf – der Journalist schreibt darüber – der Herausgeber gibt heraus – der Künstler freut sich (wenn denn der Bericht für ihn positiv ausfällt) und zitiert voller Freude und Stolz den besagten Bericht in seiner Pressemappe (egal ob gedruckt oder Online ins Netz gestellt), selbstverständlich unter Nennung von Datum, Autor und veröffentlichter Publikation.
Schon damit der geneigte Leser nicht auf die Idee kommt, der Künstler lobe sich und sein Werk selbst.
Oftmals verabredet man mit dem Journalisten, er möge doch bitte, falls sein Artikel veröffentlicht werden, eine Kopie des Textes zusenden, um sie dann in der eigenen Vita präsentieren zu können. Was, nach meiner persönlichen Erfahrung, gerne und auch voller Stolz oft getan wird.
Seit Jahren gängige Praxis – plötzlich – nach etlichen Jahrzenten geübter Praxis – verstößt dies gegen geltendes Recht?!
Nun ist das Urheberrecht zwar über die Jahrzehnte immer mal wieder modifiziert worden, doch nicht in irgendeiner Form explizit auf Kritiken /Rezensionen und deren „Zweitverwertung“ hin.
Woher also der plötzliche Umschwung?
Wenn wir schon über Rechte sprechen:
– Was ist mit dem Gewohnheitsrecht? – Vieles, was sich in einer gewissen Grauzone bewegt wird nach einiger Zeit zur Gewohnheit und auch zum Gewohnheitsrecht.
– Was ist mit dem Begriff „in Treu und Glauben“ – sicher – Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – aber ganze Heerscharen von Musikern, Schauspielern, bildenden Künstlern, Literaten, Filmemacher, Theater, Museen, Veranstalter jeglicher Couleur drucken Kritiken über ihre Werke oder ihre Veranstaltungen ab – bis vor kurzem auf Papier – immer häufiger auch im Internet. Und bis vor kurzem hatte auch niemand ein Problem damit. Eher im Gegenteil.
Internet – liegt hier der berühmte Hase im Pfeffer? – leider weiß ich nicht, von wem dieser Ausspruch stammt – ich hoffe der Urheber wird mich nicht gleich morgen abmahnen (lassen).
Bei unveränderter Rechtslage – dank Internet lassen sich nun mühelos mit wenig eigenem Aufwand – genügend „Rechtsbrecher“ auffinden, die man dann mit einem Rundumschlag gleich alle zur Kasse bitten kann.
Also schafft das Internet durch seine bloße Existenz eine neue Rechtsgrundlage?
Das hier von Seiten des Gesetzgebers Handlungsbedarf besteht, steht außer Frage.
Das Internet sollte, wie jeder gesellschaftliche Raum, Regeln haben, die für Alle gelten. Es sollte auch in Hinblick auf (um es mal neu-deutsch zu formulieren) Do´s and Dont´s die gleichen Regeln gelten, wie im realen Raum.
Doch warum wurde dann vorher nicht schon auf Verletzung des Urheberrechts geklagt?
Die Versuchung ist groß, hier schon meine Ansicht dazu zu äußern – ich werde mich aber an dieser Stelle zurückhalten und überlasse es jedem selber, den einen oder anderen Schluß daraus zu ziehen.
Sollte dies gängige Praxis werden, daß Kreative die auf Grundlage ihrer Kreation(en) geschaffenen Werke nicht mehr oder nur gegen Gebühr nutzen dürfen, empfehle ich folgenden Aushang an jeder Kasse, an jeder Tür die zu einer Veranstaltung, einer Ausstellung usw. führt:
Wer etwas über meine/unsere Arbeit in Bild, Ton oder schriftlicher Form der Öffentlichkeit zugänglich macht, erklärt hiermit ausdrücklich sein/ihr Einverständnis, daß die an dieser Arbeit beteiligten (Künstler, Aussteller, Veranstalter usw.) diese veröffentlichten Werke für ihre eigenen Zwecke (Eigenwerbung) unentgeltlich nutzen dürfen. Dies gilt auch für die Vertreter des vorgenannten Personenkreises.
Oder, wie für Berufsfotografen schon seit langem gängige Praxis: Journalisten müssen VORHER eine Genehmigung einholen, überhaupt über das „Ereignis“ schreiben zu dürfen. Die Genehmigung für die Veröffentlichung ist vom Künstler/Veranstalter/Rechtsvertreter nach eingehender Prüfung und gegebenenfalls „Korrektur“ einzuholen.
Schöne neue Welt. (Übrigens der deutsche Buchtitel von Aldous Huxley – Originaltitel: Brave new world)
Wollen wir wirklich dahin?
Wer dafür ist, hebe die Hand (hatten wir das nicht schon mal?)
Maik Wolter
1. Vorsitzender PROFOLK, Verband für Folk, Lied und Weltmusik in Deutschland e.V.
P.S. hier noch der Link zum Statement von Scarlett O´